Marken haben die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen
Die Lebenshaltungskostenkrise hat sich positiv auf Eigenmarken (Private Labels, PL) ausgewirkt, deren Marktanteil inzwischen auf Rekordniveau liegt: In Westeuropa erreichten Eigenmarken Ende 2023 einen Höchststand von 41%.(*) Unter gleichen Bedingungen und gleichem Preis würde sich eine Mehrheit der Konsumenten (54%) für Markenprodukte entscheiden: 51% geben an, dass der Kauf von Eigenmarken eine reine Kostenfrage sei. Dabei handelt es sich um eine bedachte Entscheidung, denn 52% unterscheiden beim Einkauf bewusst zwischen Eigenmarken- und Markenprodukten. Nur achtzehn Prozent machen offenbar keinen Unterschied.
Die Mehrheit (61%) will auch 2024 an ihren neuen Gewohnheiten festhalten: 32% beabsichtigen, mehr Eigenmarken zu kaufen, und nur 8% planen, mehr Marken zu kaufen. Marken müssen scheinbar mehr tun, um Kunden zurückzugewinnen. Und dazu haben sie derzeit die Möglichkeit, nicht nur der Entspannung wegen: Die Käufer sind weiterhin der Ansicht, dass Markenprodukte eine höher Qualität aufweisen und innovativer sind. Eigenmarken müssen die Messlatte höher legen, besonders, wenn es um Produktstandards und Angaben zur Nachhaltigkeit geht.
Mehr als die Hälfte aller Markteinführungen lassen sich Marken zuordnen. Die Annahme, dass Marken innovativer sind, trifft also zu. Nach Jahren gebremster Aktivitäten während der Dauerkrise steigt der Innovationsdruck. Ver-braucher stehen Marken skeptischer gegenüber, Vertrauen und Glaubwürdigkeit müssen wiederhergestellt werden.
(*) Quelle: Europanel Barometer
In Zeiten von Preisorientierung und „Promo-Hopping“ sind Markteinführungen äußerst wichtig, um die Preisspirale nach unten zu durchbrechen und neue Vorteile zu schaffen, die höhere Preise rechtfertigen: Sechs von zehn neuen Produkten werden zu einem Preis verkauft, der über dem der Muttermarke liegt. Dabei reicht die Spanne von 8% Preisaufschlag bei Lebensmitteln bis hin zu einem Plus von 43% bei Haushaltspflegeprodukten.
Aus länderspezifischer Perspektive scheinen die niederländische Konsumenten besonders empfänglich für Markteinführungen zu sein: 29% der Markenverkäufe sind auf Innovationen zurückzuführen.
Ist dies aber eine Frage der Notwendigkeit oder der Qualität? Aufgrund des hohen Anteils an Eigenmarken in den Niederlanden sehen sich Markenprodukthersteller zunehmend gezwungen, sich durch Innovationen zu differenzieren. Vielleicht sind deshalb neunzehn Prozent der Markteinführungen in den Niederlanden echte Innovationen, während es in Belgien und Deutschland nur drei Prozent sind. Eigenmarken behindern nicht unbedingt das Wachstum von Marken, aber neue Markteinführungen machen einen wichtigen Unterschied.
Bei durchschnittlich 121 Markteinführungen pro Jahr ist die Häufigkeit bei Kategorien mit hoher Marktdurchdringung (mehr als 65%) höher, aber der Erfolg ist – mit einem durchschnittlichen Reichweiten-Index-Score von 0,7 ein Quartal nach Einführung – geringer. Besonders in Zeiten knapper Kassen fragen sich Verbraucher, ob ein höherer Preis für eine neue Geschmacksrichtung oder weniger Zucker gerechtfertigt ist. Andererseits erhält geringeres „Startrauschen“ in weniger frequentierten Kategorien (38 gegenüber 133 in hochfrequentierten Kategorien) immer noch mehr Aufmerksamkeit, was zu höheren Erfolgsquoten in Bezug auf die Reichweite des Launches führt (Index: 1,3). Bei der Produkteinführung in Kategorien mit geringer Marktdurchdringung muss jedoch ein echter Zusatznutzen geboten werden: Weil sich Verbraucher das neue Produkt nicht häufig kaufen werden, dürfen sich diese Produkte keinen Fehler leisten.
Angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch Eigenmarken müssen Produktneueinführungen mehr denn je zur jeweiligen Kategorie passen, um die manchmal widersprüchlichen Interessen der Einzelhändler abzumildern. Ein gutes Beispiel dafür, wie ein Produktsegment Wertschöpfung und Wachstum erfahren kann, sind Frühstückscerealien: Aus einfachen Produkten wie den traditionellen Haferflocken haben sich im Laufe der Jahre verschiedene Angebote mit echtem Mehrwert entwickelt, darunter Müsli, Porridge und Overnight Oats, was zu einem erheblichen Wachstum bei Volumen und Wert der Kategorie geführt hat.
Selbst (oder erst recht) wenn eine Marke zu einer kleinen, weniger häufig konsumierten Kategorie gehört, lohnt es sich, kontinuierlich in Innovation und kreative Kommunikation zu investieren, nicht zuletzt um negative Entwicklungen im Produktsegment abzufangen. Ein sehr gutes Beispiel ist True Fruits. Trotz eines recht hochpreisigen Produkts weist True Fruits eine hohe Markentreue auf und wächst in der rückläufigen Kategorie der Smoothies weiter.
Antizyklische Investitionen sind nichts Neues. Die Forschung zeigt, dass es wichtig ist, in schwierigen Zeiten zu investieren, um das langfristige Überleben zu sichern. Marken, die in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs auf Kosten desWerbeetats in Forschung und Entwicklung (FuE) investierten, konnten ihren Marktanteil um 38% und ihre Gewinne um 70% steigern. Echte Innovationen zahlen sich dabei viel mehr aus als Erneuerungen, vor allem in Zeiten der Rezession, wenn Kunden ihren „letzten Euro“ nur für etwas Sinnvolles ausgeben wollen.
Ebenso wichtig ist die kontinuierliche Innovation in Trendkategorien wie veganen und vegetarischen Lebensmitteln. Molkerei-, Käse- und Fleisch-Ersatzprodukte wachsen als Kategorie weiterhin, die Eigenmarken haben dabei jedoch aufgeholt, und immer häufiger leiden Erstanbietermarken darunter. In neueren Segmenten, wie beiveganen Süßigkeiten, können Erstanbietermarken immer noch beträchtliche Wachstumsraten erzielen.
In vielen Produktkategorien besteht Bedarf an regelmäßigen Innovationen, insbesondere weil wir jetzt einer wieder zunehmende Relevanz einiger wichtiger Trends wie Komfort, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Lifestyle/Premium beobachten. Diese Trends werden heute aber vor allem von Eigenmarken vorangetrieben.
Marken müssen Funktionalität, Genuss und Nachhaltigkeit glaubwürdig vereinen, um einen echten Unterschied zu machen. Nur einen Trend zu bedienen, reicht nicht aus.
Es ist Zeit für einen grundlegenden Wandel. Erneuerungen sind nicht genug. Was zählt, ist Innovation – eine Innovation, die den Bedürfnissen der Kunden und damit dem Produktsegment entspricht.