Wahl des Einzelhändlers
Es gibt Anzeichen für einen Wendepunkt in der Kundenmentalität, ihrem Kaufverhalten und ihrer Einstellung zu Marken. Inwieweit wirkt sich diese Veränderung auf die Strategie und die Entscheidung für Einzelhändler aus?
Nach dem One-Stop-Einkaufen während der Pandemie gab es einen enormen Anstieg bei der Anzahl der Einkäufe. 2023 waren es etwa 900 Millionen zusätzliche Einkäufe, ein Anstieg von drei Prozent gegenüber 2022.
Erwartungsgemäß waren Discounter die Gewinner der Lebenshaltungskostenkrise, und dieser Vertriebsweg wächst weiter, meist auf Kosten der Fachhandels. Auch die Drogeriemärkte haben leicht zulegt. Dieses Phänomen wird als Lipstick-Effekt bezeichnet: Wer sich beispielsweise keinen neuen Mantel leisten kann, kauft stattdessen einen neuen Lippenstift, um sich wohlzufühlen.
Mehr Käufer kommen über unterschiedliche Kanäle. Wie wir bereits gesehen haben, bedeuten der Wechsel des Einzelhändlers und entsprechender Gewohnheiten typischerweise, dass sich die Chancen eines weiteren Einkaufs halbieren. Gleichzeitig steigt die Zahl der Kontaktpunkte in den Geschäften. Alle Kanäle verzeichneten einen Anstieg der Besucherzahlen, nur online zeigte sich ein Rückgang bei Einkäufen und Einkaufswert. Bei den Discountern ist die Zahl der Einkäufe zwar am höchsten, aber nicht viel höher als bei Drogerien, Hyper- und Supermärkten. Die Zahlen zeigen auch die überproportionalen Preissteigerungen der Discounter.
Nach wie vor finden wir Beweise für einen Trendwende: Anfang 2023 beabsichtigte fast jeder fünfte Konsument, die Anzahl an Einkäufen zu verringern. Der Anteil ist im Herbst auf dreizehn Prozent gesunken. Immerhin 87% der Europäer erklärten, dass sie weiterhin in gleichem Umfang oder sogar mehr einkaufen wollen. Zu den Ländern mit dem häufigsten Wechsel des Einzelhändlers gehören Frankreich, Belgien und die Schweiz, die treuesten Einzelhandelskäufer sind dagegen die Verbraucher in der Ukraine, in Ungarn und Großbritannien.
Zwar ist der Preis nach wie vor ein wichtiges Kaufargument, aber wir sehen eine einzigartige Dynamik und „Must-haves“, die genutzt werden können, um das Kaufverhalten zu beeinflussen: Es wird Zeit, den Blick vom Preis auf Wertschätzung zu lenken.
Um Wechselkäufer zum Bleiben zu bewegen, gewinnen Aspekte wie Qualität des Sortiments, Bequemlichkeit, d.h. leichter Zugang und einfache Navigation, sowie Werbeaktionen an Bedeutung – und müssen demnach verstärkt genutzt werden.
Auch sehr interessant: Für Verbraucher, die bleiben wollen, ist ein gutes Markenangebot viel wichtiger als ein gutes Eigenmarkensortiment. Das wiederum unterstreicht das allgemeine Vertrauen in Marken und die damit verbundenen Möglichkeiten.
Auch wenn wir den Generationenaspekt nicht überbetonen wollen, ist es wichtig, die Präferenzen der unterschiedlichen Zielgruppen von jung bis alt zu verstehen. Denn die Treuefaktoren der Generationen sind unterschiedlich. Ältere Generationen wie die Baby-Boomer wünschen sich ein schönes Einkaufserlebnis, Service und Hilfe, ein gutes und großes Sortiment und bequemes Einkaufen. Für jüngere Generationen – Gen Z – machen die Details den Unterschied. Sie erwarten nicht nur die oben genannten Aspekte von den Einzel-händlern, sondern auch, dass ihre Lifestyle-Bedürfnisse und Aspekte wie Nachhaltigkeit und Gesundheit unterstützt werden. Jüngere Menschen wünschen sich außerdem exklusive Produkte sowie Inspiration und Personalisierung in Bezug auf das Einkaufserlebnis.
Personalisierung ist ein starker Faktor, wenn Kunden sich durchdachte Optionen zur Verbesserung ihres Einkaufserlebnisses wünschen. Zu den Schlüsselaspekten, die emotionale Vorteile bringen, zählen herausragende Leistung, ein größeres Sortiment für unterschiedliche Bedürfnisse sowie Werbeaktionen. Es geht darum, das Narrativ von „eingespartem Geld“ durch „gut angelegtes Geld“ zu ersetzen.
Insgesamt wird die Definition des Einkaufserlebnisses immer breiter gefasst. Die Digitalisierung der Kunden nimmt zu und Technologie eröffnet uns neue Möglichkeiten, wie wir einkaufen.
Der technische Fortschritt spielt bei der Verbesserung des Einkaufserlebnisses eine wichtige Rolle, aber die Automatisierung in den Geschäften und schnelle Kassen sind dabei nicht das Wichtigste. Künstliche Intelligenz (KI) verspricht eine in hohem Maße personalisierte Preisgestaltung, Empfehlungen und maßgeschneiderte Werbeaktionen, die den besonderen Bedürfnissen der Kunden in Bezug auf Kostenmanagement, Sortiment, Komfort und Lebensstil entgegenkommen.
Die Wertschätzung der Kunden wird künftig das A und O sein. Genau wie bei der Markeninnovation werden die Einzelhändler die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden stärker in den Mittelpunkt stellen.
Einzelhändler werden die Perspektive der Käufer übernehmen. Von „wir bieten den besten Preis, wir sind preiswert“ zu „wir gehen auf Ihre Bedürfnisse ein“. Es ist wichtig zu wissen, dass Kunden sich gegebenfalls nach anderen Möglichkeiten und bei anderen Einzelhändlern umgesehen haben. Sie hören daher auch gerne: „Danke, dass Sie uns die Treue gehalten haben“.