Nachhaltiger Wandel des Lebensstils
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, suchen wir Sicherheit in uns selbst. Nach der Überwindung der anfänglichen Panik wechseln die Konsumenten jetzt vom „von Tag zu Tag“ Modus in einen weitsichtigeren Modus – die Perspektive von „Übermorgen“. Mit vorsichtigem Optimismus erinnern sich die Käufer an die wichtigen Ziele im Leben, angefangen bei Gesundheit und finanzieller Sicherheit. Das Spektrum reicht dabei von „kleinen“ Aufgaben im Haushalt über die Bewältigung des Alltags bis hin zu „großen“ Aufgaben wie dem Umweltschutz.
Bei der Frage nach festge-stellten oder angestrebten Veränderungen im Lebensstil der Käufer, steht die Entrüm-pelung des Haushalts an erster Stelle (77%), gefolgt von täglicher Bewegung (75%) und Zero-Waste-Bemühungen (74%). Weniger arbeiten und mehr leben (72%) steht ebenfalls auf der Liste der Wünsche ganz oben, ebenso wie der Verzicht auf Alkohol (70%). Wir beob-achten durchgehend eine starke Tendenz zur Verbess-erung der Gesundheit und des Wohlbefindens, um Raum für „Ich-Momente“ zu schaffen.
Wie können Hersteller und Einzelhändler nach Ansicht der Käufer den größten Beitrag leisten? Die wich-tigsten Wünsche der Käufer sind in erster Linie die Verringerung des Abfalls auf null, an zweiter Stelle steht die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und an dritter Stelle werden zuckerfreie Produkte genannt.
In Bezug auf den Kauf von Fleisch hat sich der Trend hin zu Flexitariern und Veganern verlangsamt. Das Konzept einer Ernährung zum Wohl des Planeten gewinnt an Boden. Dabei handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der die Auswirk-ungen der Ernährung sowohl auf die Umwelt als auch auf die persönliche Gesundheit berücksichtigt.
Protein ist, zum Beispiel in Deutschland, nach wie ein Trend mit starkem Wachstum mit einem Zuwachs von sechzehn Prozent gegenüber sechs Prozent bei veganen Lebensmitteln. Nach dem Hype, wenn Trends ausgereift sind, beobachten wir jedoch eine Veränderung: ein konsolidiertes Wachstum in Segmenten, in die sich der Trend auf natürliche Art und Weise einfügt, wohingegen Segmente, in denen der Trend eher konstruiert werden muss, verlieren. Milchprodukte und Proteine sind hierbei eine gute Kombination und Proteinriegel sind gesünder als Schokolade. Beide Produktkategorien fügen sich leicht in die Alltagsgewohnheiten ein. Sie entsprechen der Produktverwendung. Proteine und Brot sind hingegen keine natürliche Kombination. Die Vorstellung von gesundem Protein passt auch nicht zu Eis, das als Genussmittel gilt.
Der Trend hin zu Proteinen bringt uns zurück zum Fleisch. Wie oben erwähnt, ist Fleisch eine der Kategorien, die Käufer vermehrt und in einem größeren Sortiment kaufen, wenn sich Kosten- und Preisvorstellungen entspannen. Außerdem ist die Zahl der Haushalte, die aus Gesundheits- und Umweltgründen bewusst auf Fleisch verzichten, unverändert geblieben. Das hängt auch mit dem wachsenden Bewusstsein zusammen, dass es keine guten oder gesunden Alternativen zu Fleisch gibt. Die öffentliche Meinung zu Fleischalternativen wird negativer: 59% halten sie nicht für gesund, wobei die Generation Z etwas positiver eingestellt ist. Gezüchtetes „Laborfleisch“ könnte eine Alternative sein. Auch wenn es noch kein Laborfleisch auf dem Markt gibt, geben fünfzehn Prozent der Käufer an, dass sie es in ihre Konsumgewohnheiten integrieren würden.
Für die nahe Zukunft sind zwei wichtige Entwicklungen im Lebensstil hervorzuheben: Nutrition Positivity und ein gesunder Planet.
Betrachtet man den Aspekt der Gesundheit genauer, stellt man fest, dass die Ernährung eine immer wichtigere Rolle spielt, und zwar in Form von Nutrition Positivity. Dabei handelt es sich um einen Ansatz in der Ernährungsberatung, die den Fokus weg von der Vermeidung bestimmter Nährstoffe oder Lebensmittel und hin zu einer ganzheitlichen, positiven Betrachtung von Ernährung verschiebt. Es geht um eine ausgewogene, vielfältige Ernährung, anstatt um Verbot oder Einschränkung einzelner Nährstoffe oder Lebensmittelgruppen. Verbraucher erwarten eine neue Gestaltung des Einkaufumfeldes, die ihnen praktische Hilfe dabei bietet, den Wert von Ernährung besser zu verstehen. Sie möchten dabei unterstützt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen, beispielsweise mithilfe des Nutri-Scores: Zwei Drittel der Europäer sagen, dass sie das System hilfreich finden. Die Konsumenten wollen mehr über Inhaltsstoffe wissen, wie Salz, Zucker und Fett, ob die Produkte gentechnisch verändert wurden und woher sie stammen (Regionalität). Von den Produkten wird erwartet, dass sie einen hohen Anteil an Nährstoffen mit positivem Effekt, wie Proteinen, Probiotika, Omega-Fettsäuren usw. enthalten.
Auch die präventive Selbstfürsorge bekommt einen immer stärkeren „medizinischen“, fachlichen Aspekt, wie die zunehmende Verbreitung von Nahrungsergänzungsmitteln zeigt. Das gilt jedoch längst nicht für alle Konsumenten. Nur sieben Prozent sind davon überzeugt, dass sie Nahrungsergänzungsmittel auf jeden Fall in ihre Routine integrieren werden. Weitere dreizehn Prozent würden sie aus Neugierde ausprobieren, und für 23% sind Nahrungsergänzungsmittel eine einfache Möglichkeit, etwas für ihre Gesundheit zu tun.
Bei der Ernährung beobachten wir einen Wandel weg von einem sing-ulären Fokus, hin zu einem breiteren Ansatz. Anstatt z.B. kein weißes Mehl mehr zu essen, findet beispielsweise das temporäre Fasten großen Anklang: 47% der Befragten gaben an, dass sie dies bereits praktizieren oder gerne praktizieren würden.
Nahrungsergänzungsmittel werden definiert als nährende Lebensmittelbestandteile, die aus medizinischer Sicht gesund sind und der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten dienen. Zu den beliebten Nahrungsergänzungsmitteln gehören Ginseng, Echinacea, grüner Tee, Glucosamin, Omega-3, Lutein, Folsäure und Lebertran.
Eine Ernährung zum Wohl des Planeten gehört zum Lifestyle von immer mehr Menschen. Das spiegelt sich im Diskurs über umweltbewusste Verhaltens-weisen wider. Unsere Analysen zeigen, dass sich die Ernährung zunehmend weg von der reinen „Fleischvermeidung“ und hin zu einer positiven Ernährungsumstellung, der Planetary Health Diet, verschiebt. Dieses Ernährungskonzept befasst sich damit, wie jeder Einzelne sein gesamtes Konsum-verhalten verändern kann, sodass es sich positiv auf die eigene Gesundheit auswirkt und gleichzeitig die Umwelt weniger belastet. Derzeit wird das Konzept von Verbrauchern in Deutschland, Spanien, Italien, Serbien, Kroatien und Rumänien besonders positiv bewertet. Vor allem in Deutschland, das in Bezug auf das Kaufverhalten und die Umweltaktionen als Europas umweltfreundlichster Markt gelten kann, springen Einzelhändler bereits auf diesen neuen Zug auf und bieten entsprechende Informationen und Rezepte an.
Noch faszinierender als das zugrunde liegende Konzept der Planetary Health Diet ist, dass die jüngere Generation diese Idee bereits übernommen und ihr Verhalten entsprechend verändert hat. Zugegeben, zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft noch eine große Lücke, aber wenn wir den kurzen Zeitraum von 2017 bis 2023 betrachten, können wir bereits eine erhebliche Veränderung im Verhalten der jüngeren Käufer erkennen. Die Generation Z hat ihren Konsum von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und ungesättigten Fetten erhöht, während sie den Konsum von Fleisch und Milchprodukten um bis zu sechs Prozent verringert hat. Im Gegensatz dazu haben sich die Einkäufe der älteren Generationen im gleichen Zeitraum kaum verändert. Das zeigt, dass junge Käufer eine andere Ansicht in Bezug auf Lebensmittel haben, und wir können davon ausgehen, dass sich der Warenkorb in den nächsten Jahren weiter verändern und andere Grundnahrungsmittel enthalten wird.
Quelle: CPS GfK - Consumer Panel NL MAT Q2 2023 , hak.com
Zwar gibt es zahlreiche Beispiele für Marken, die aus der Nachhaltigkeit geboren wurden, oder für Nischenmarken, die erfolgreich auf Nachhaltigkeit umgestellt haben, doch fällt Mainstream-Marken ein echter Wechsel, der vom Markt anerkannt wird, oft schwer. HAK ist ein Beispiel für eine Mainstream-Marke, die sich erfolgreich umwelt- und nährwertfreundlich neupositioniert hat.
HAK wurde vor mehr als 70 Jahren gegründet und hat sich in den letzten Jahren von einem herkömmlichen Hersteller von Gemüsekonserven in den Benelux-Ländern zu einem Markenunternehmen für pflanzliche Bio-Lebensmittel in ganz Nordwesteuropa entwickelt. Der erfolgreiche Wandel des Unternehmens zeigt sich in der Marktakzeptanz und den Umsätzen. Die Marke erzielt überdurchschnittliches Wachstum unter Umwelt-Bewussten und belegt unter den bei Verbrauchern für Umweltschutz stehenden Lebensmittelmarken den dritten Platz.(*) Die Mission von HAK lautet: Erleichterung des Verzehrs von leckerem Gemüse und Hülsenfrüchten durch natürliche Produkte von guter Qualität, die möglichst lokal erzeugt und mit minimalen negativen Auswirkungen auf die Umwelt produziert werden. Der Erfolg der Marke hängt auch damit zusammen, dass die Produkte dem oben beschriebenen Trend zu einem gesunden Lebensstil entsprechen und sowohl der eigenen als auch der planetaren Gesundheit dienen.
(*) Quelle: Studie „Who cares, who does“, Niederlande, 2023
Im Allgemeinen, und das ist sicher keine Überraschung, sind Anreize zur Änderung des Lebensstils erfolgreicher, wenn sie auf persönliche Vorteile der Verbraucher abzielen. Zum Beispiel wenn etwas gut für die eigene Gesundheit und den Planeten ist.
Um Veränderungen des Kaufverhaltens der verschiedenen Käufergruppen zu verstehen ist es jedoch wichtig, ihre Ansichten zu Gesundheit und Nachhaltigkeit zu differenzieren. Wir bewegen uns generell in Richtung von Nutrition Positivity und Planetary Health Diet – die intrinsische Motivation für die Umsetzung sind aber unterschiedlich.
Für die jüngeren Generationen waren die Themen Nachha-ltigkeit und Gesundheit seit sie Lebensmittel kaufen immer präsent. Ihre grund-sätzlichen Verhaltensweisen richten sich danach aus und in den meisten Fällen halten sie sich auch daran.
Ältere Generationen fühlen sich oft schuldig für das, was sie getan haben, bevor Nachhaltigkeit ein Mainstream-Thema wurde. Sie sind deswegen bestrebt, frühere Verfehlungen zu einem gewissen Maße zu kompensieren, Das resultiert selten in radikalen Veränderungen, sondern eher in kleineren Maßnahmen. So ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf die Gesundheit. Der Lebensstil verändert sich Schritt für Schritt. Diesem Muster folgend, gönnen sie sich kleine Momente der Freude, aber keine radikalen Veränderungen.
Diese Phase der Lebenshalt-ungskostenkrise wird von grundlegendem Komfort geprägt sein, deshalb sollten diese Unterschiede zwischen den Generationen (Schummeln vs. Ausgewogenheit) berücksichtigt werden.
Kurz gesagt, die Lebensstiländerungen im Zuge der positiven Ernährung zum Wohl des Planeten können als „konstruktiver Wandel“ bezeichnet werden. Es sind realistische Verän-derungen im positiven Sinne, die schrittweise erfolgen.